RECHT & BILLIG

© Stadtarchiv Marburg

Betriebsbegehung der „Coca-Cola-Abfüllanlage“ Marburger Getränke Industrie Ludwig Naumann, (Frauenbergstraße 12, Marburg-Cappel), September 1974

Von links nach rechts: Thomas Naumann, Dr. Gerhard Pätzold, Karl Schnabel, Dr. Hanno Drechsler, Conrad Hahn

Jeder Kopf zählt

Mit Blick auf das Geld sahen viele neue Stadtteile der Eingliederung nach Marburg mit Freude entgegen. „Fusion nach Marburg bejaht“ bejubelte die Oberhessische Presse 1971 den Zusammenschluss mit Cyriaxweimar. Vorteile waren, dass Marburg aufgrund der höheren Einwohner*innenzahl mehr Geld vom Land bekommen sollte; die neuen Stadtteile konnten mit den Eingemeindungsverträgen neue Projekte aushandeln. Für Elnhausen waren dafür jährlich 500 DM pro Kopf vereinbart worden.

„Cappel, Marbach und Wehrda bedeuteten für Marburg Raumgewinn und Bevölkerungszuwachs ohne finanzielle Belastung. Dagegen müßten die vom Kreisausschuß zugebilligten Gemeinden mit enormen Erschließungskosten an den Nahverkehr angebunden werden.“

„Auf der Suche nach Verständnis. Landrat und FDP-Vorstand diskutieren die Pläne zur Kreis- und Verwaltungsreform.“, Oberhessische Presse, 22.12.1971.

Unverschuldet verschuldet

Die „reichen“, 1971 freiwillig gebildeten Gemeindezusammenschlüsse wie Marbach-Michelbach-Dagobertshausen, fürchteten Verluste. Die hohen Gewerbesteuereinnahmen von den dort ansässigen Behringwerken würden die ‚Begehrlichkeit‘ Marburgs wecken. Während einer Bürger*innenversammlung wurde sogar der abenteuerliche Vorschlag gemacht, nun größere Investitionen zu tätigen. So sollte es „zu einer gewissen Verschuldung“ kommen, um „nicht länger als ‚goldenes Kalb‘ zu gelten.“ Dem „weit verbreiteten Irrtum“, die Stadt wäre finanziell gestärkt aus der Gebietsreform hervorgegangen, trat Oberbürgermeister Dr. Drechsler 1975 entgegen, als die ersten Zahlen vorlagen. Die Einnahmen seien zwar um die Abgaben der Behringwerke in Marbach gestiegen, gleichzeitig sei jedoch die Steuerkraft der anderen neuen Stadtteile „teilweise ganz erheblich schwächer als die der Kernstadt.“ Von 361 DM verschlechtere sich die Steuerkraft auf 341 DM je Einwohner*in.

© Stadtarchiv Marburg

Oberhessische Presse, 31.01.1975

Millionenverlust

Für den ersten Jahreshaushalt nach der Gebietsreform ging Drechsler deshalb von einem Fehlbetrag von 1,4 Millionen DM aus. Dieser wurde auch durch gestiegene Ausgaben verursacht. Marburgs Finanzhaushalt sollte durch die Maßnahmen für die neuen Stadtteile auch weiter belastet werden. Zumindest nahmen das so die alten Stadtteile wahr, die nun verzichten mussten.