Schlossklänge

#2 | Türmer

Audio
TürmerGeorg Friedrich Händel, "Sinfonia" aus der Oper "Atalanta" und Johann Ernst Altenburg, Bicinium
00:00

Hörbare Herrschaft: Die musikalische Rolle der Marburger Türmer

Seit dem Mittelalter schauten sie vom hohen Schlossturm herab und wachten über die Sicherheit der Stadt: die Türmer. Bei Tag und Nacht hielten sie Ausschau nach Feuer, Feinden und anderen Gefahren und warnten die Bürger mit Signalhörnern, Trompeten oder Feuerglocken. Mit ihren Signalen kündigten sie Reisende an, die sich der Stadt näherten – und galten damit als wachsame Hüter über das Leben in Marburg.

Nach dem Tod Philipps des Großmütigen wurde Hessen unter seinen Söhnen aufgeteilt. Ludwig IV. erhielt Marburg als Residenzstadt und ließ das Schloss weiter ausbauen. Ein markantes Bauwerk aus dieser Zeit war der Schlossturm. Er war Symbol für Macht und Herrschaft, hatte aber vor allem eine zentrale Bedeutung als Teil der Verteidigungsanlage. Von hier aus erfüllten die Turmwächter, auch Türmer genannt, ihren Dienst und schlugen durch Horn oder Feuerglocke Alarm, sobald Gefahr drohte.

Doch besonders in Marburg kam den Türmern noch eine weitere, herausragende Aufgabe zu. Sie waren nicht nur Wächter, sondern auch Musiker. Mehrmals täglich erklangen von der Höhe des Turms Choräle über der Stadt. Diese Klänge erinnerten die Bürger an Glaube, Ordnung und die Verbundenheit mit der herrschenden Autorität. Die Türmer, die diesen Dienst verrichteten, waren nicht nur Wächter, sondern auch Berufsmusiker. Über Jahrhunderte hinweg galten sie als die wichtigsten Repräsentanten der städtischen Instrumentalmusik. Als fürstliche Schloss- und Stadtmusikanten begleiteten sie das gesellschaftliche und religiöse Leben der Stadt: Sie musizierten bei Hochzeiten und Tanzfesten, auf Dorfkirmessen, zu kirchlichen Feiern und bei höfischen Anlässen.

Mit dem Rücktritt des letzten Marburger Türmers, Johann Julius Abel, im Jahr 1870 endete diese lange Tradition. Doch die Erinnerung an die Choräle, die einst über die Dächer der Stadt klangen, und an die wachsamen Musiker hoch oben im Turm lebt bis heute fort.

Aufnahme
Hessische Barocktrompeten - Marburg
Stephan Reissig, Barocktrompete
Carsten Tupaika, Barocktrompete
Karl Reissig, Barocktrompete
Martin Wenzel, Barockpauken

Abbildungen
oben links
: Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung, Band 1. Nürnberg 1426–1549. Stadtbibliothek Nürnberg, Amb. 317.2°, circa 1425
oben rechts
: Philipps-Universität Marburg
unten links und rechts
: Hausbuch der Landauerschen Zwölfbrüderstiftung, Band 1. Nürnberg 1511-1706. Stadtbibliothek Nürnberg, 279.2°,1546