STUDI LEBEN

Mehr als ein Drittel der Marburger Bevölkerung studiert heute an der Philipps- niversität. 1527 gegründet, ist die Universität bis heute der Ort für einflussreiche Erfindungen und Gedanken für unsere Gegenwart. Der Politologe und Jurist Wolfgang Abendroth bewegt die politische Jugend der Nachkriegszeit. Wau Holland entwickelt Ideen für den Chaos Computer Club und die digitale Zukunft. Die Philipps-Universität ist ein Ort zum Lernen, Feiern und Erfinden. Um Tradition und Wandel wird auch gestritten und demonstriert. Die Gebäude der Universität spiegeln die Vielfalt und Geschichte des Studierendenlebens: Die traditionsreiche Alte Universität liegt am Fuß der historischen Oberstadt. Das moderne Hörsaalgebäude und das Marburger Bausystem an den Lahnbergen sind Vorbilder für den deutschen Bauboom der 1960er Jahre. Die Universitätsbibliothek am Campus Firmanei ist seit 2018 der neue Lernort für mehr als 22.000 Studierende.

MARKTFRÜHSCHOPPEN

Nach dem zweiten Weltkrieg wird im Jahr 1951 wieder das Brunnenfest gefeiert. Es wird als Marburger Marktfrühschoppen bekannt. Die Veranstalter freuen sich 1980 darüber, dass Bürger und Studenten zusammen feiern. „Alte Herren“ der Burschenschaften reisen zurück in ihre ehemalige Universitätsstadt. In Marburg gibt es viele Studentenverbindungen. Zur Feier am Marktplatz treffen sich auch rechtsradikale Burschenschaften. Farbentragende Gäste sehen das Fest als unpolitisch. Gegendemonstrierende kritisieren, dass sich die Veranstalter nicht von rechtsradikalen Gästen distanzieren. Die Politikwissenschaftlerin Dr. Alexandra Kurth sagt auf einer Demonstration 2013: Am Frühschoppen verbinden sich konservative mit rechtsradikalen Tendenzen, darunter ist auch antisemitisches Gedankengut. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. 2014 findet das Fest zum letzten Mal statt.

HACKERBIBEL

Die „Hackerbibel“ ist eine der ersten Bücher über digitale Datenverarbeitung. Der Mitbegründer des Chaos Computer Clubs (CCC) ‚Wau‘ Holland (1951-2001) studierte an der Philipps-Universität Informatik, Elektrotechnik und Politik. Der CCC ist einer der ältesten Hackerclubs. Die Stiftung von Wau Holland finanziert heute digitale Enthüllungsplattformen wie Wikileaks. Der Leihgeber lernte mithilfe der Hackerbibel den Umgang mit dem Computer. Bis heute arbeitet er als Techniker für Live Musik in Marburg.

Leihgeber: Go Cziba

HACKERBIBEL

MARBURGER GESCHICHTEN: ZEICHEN DES PROTESTS

[…] Was sind Buttons? Ich hab‘ mal einen mitgebracht. Das sind Knöpfe mit einer Schließnadel hinten, sodass man die sich so anstecken kann. Sie sind aus Blech, oben drüber ist ein Plastikbezug und da ist dann ein Inhalt: Ein inhaltsschweres Abzeichen. 1967 hat mir im Schwarzen Walfisch einer aus Frankfurt so einen Button verkauft. Der brachte immer die neusten Sachen mit. […] Diesen ersten Button hab‘ ich aber leider nicht mehr. Schade! Da stand drauf: „make love, not war“ […] Es gab Demonstrationen, Kundgebungen auf’m Marktplatz und dann hat man diese Buttons getragen. Der Witz ist: Im Unterschied zu Aufklebern […] musste man Buttons tragen. Und Aufkleber hat man irgendwo drangebapscht und dann hingen sie – dann reden sie mal mit ‘ner Laterne oder einem Laternenpfahl – das geht nicht! Aber Menschen, die so’n Button haben, die kann man ansprechen. Und das war eigentlich auch Sinn und Zweck der Angelegenheit, dass man darüber redet, in Kontakt kommt. Es war natürlich auch in gewisser Weise gefährlich, wenn man sich in falscher Gesellschaft bewegt hat. Es gab zum Beispiel, wie heute auch, Samstagnacht oft Schlägereien oder Rangeleien in der Oberstadt. Da war es manchmal nicht gut, das Ding offen zu tragen. Dann musste man es so unter der Jacke in der Stadt tragen.“

Harry Hecker

POLITISCHE SCHUBLADE

Die Buttons dokumentieren den politischen Aktivismus des Leihgebers von 1967 bis in die 1980er Jahre. Sie zeigen die Friedenstaube, das Peacezeichen oder die rote Nelke. Die Symbole erinnern an die Friedensbewegung, Kommunalpolitik oder an Gewerkschaftsdemonstrationen auf dem Marburger Marktplatz. Der Politikwissenschaftler macht 1971 bei Professor Wolfgang Abendroth sein Examen und arbeitet an der Philipps-Universität. Die Buttons sind für ihn Teil der politischen Geschichte Marburgs. Da man sie an der Kleidung trägt, wird das Engagement für andere öffentlich sichtbar.

Leihgeber: Harry Hecker

Politische Schublade

WEIDENHÄUSER RUNDSCHLAG

In Weidenhausen schreiben Studierende mit Ansässigen ab Mai 1976 gemeinsam die Stadtteilzeitung „Weidenhäuser Rundschlag“. Mit Humor und Blick auf das aktuelle Geschehen beschreiben sie Wohnungsnot, ansässige Gewerbe, studentische Politik und Rezepte. Die Leihgeberin Renate Reddemann ist Gründungsmitglied der Zeitung.

Leihgeberin: Renate Reddemann


WEIDENHÄUSER RUNDSCHLAG

MARBURGER GESCHICHTEN STUDENTENMÜTZE

1964 wurde ich als frischgebackene[r] Student der Volkswirtschaft aktiv bei der liberalen Marburger Burschenschaft Arminia. Ich habe mit Stolz mit schwarzrot- goldenem Band in den Vorlesungen der Universität gesessen und in der Stadt die rote Mutze getragen. Kaufen konnte man das Couleur bei Hüte- Rumpf in der Neustadt 8. Dort wurden traditionell in Marburg die Mützen der Studentenverbindungen hergestellt und mit allen dazugehörigen Couleur- Artikeln, Band und gravierte Zipfel, verkauft. Herr Rumpf war engagiert in allen Bereichen der Marburger Tradition. Ich erinnere mich an einige seiner Vorträge über Zusammenhänge der Marburger Geschichte. Das Geschäft Hüte- Rumpf war mit den frühen prägenden Studentenverbindungen für die Stadt von historischer Bedeutung.“

Tilman Pfeiffer

STUDENTENMÜTZE ARMINIA

Rot, Schwarz und Gold sind die Farben der Studentenverbindung Arminia. Der Leihgeber erhielt diese Mütze zu seinem ersten Studiensemester der Volkswirtschaft an der Philipps- Universität im Jahr 1964. Die Schirmmütze kennzeichnet ihn als Mitglied der Burschenschaft. Solche Mützen werden zu Festen getragen und während der Vorlesungen. In Marburg gibt es viele Studentenverbindungen. Daher spezialisiert sich das Hutgeschäft von Franz Rumpf in der Oberstadt auf diese Mützen mit speziellen Farben, Bändern und Gravuren.

Leihgeber: Tilman Pfeiffer