GESELLSCHAFT...

Anfang der 70er Jahre ist die politische Stimmung in der Bundesrepublik Deutschland aufgeheizt. Viele Abgeordnete von SPD und FDP wechseln aus Protest gegen die Ostpolitik von Bundeskanzler Willy Brandt zu CDU/CSU. Weil die sozialliberale Regierung nun keine Mehrheit mehr hat, kommt es am 27. April 1972 zum ersten Misstrauensvotum in Westdeutschland. Es scheitert knapp: Willy Brandt bleibt Regierungschef. Im September 1972 stellt er dem Parlament seinerseits die Vertrauensfrage – und verliert. Doch das Ergebnis ist erwünscht. Brandt will Neuwahlen, um die Bürger*innen selbst entscheiden zu lassen. Tatsächlich gewinnt die SPD die Wahl. Die Härte des Wahlkampfs ist auch in Marburg zu spüren. Die SPD gewinnt die Kommunalwahlen 1972 mit 49,1% gegenüber 39% CDU, 6,7 % FDP und 5,3% für die DKP. In mindestens einer Sache unterscheidet sich die Parteienlandschaft von heute. Die GRÜNEN gründen sich in Hessen erst 1979. Sie sitzen seit 1982 im Landtag und landen in Marburg 2021 als stärkste Partei vor der SPD.

... UND GESELLIGKEIT

Die 70er-Jahre gelten als Zeit der Krisen und Umbrüche. In Marburg herrscht neben dem hitzigen Wahlkampf reges Bautreiben. An der Stelle, wo das „Wirtshaus an der Lahn“ stand, wird der Affenfelsen errichtet - ein 15-stöckiges Haus im Stil des  Brutalismus. Vielleicht gerade wegen all der Veränderungen ist Geselligkeit und Gemeinschaft wichtig. 1971 kommt die Unterhaltungssendung „Der blaue Bock“ mit Heinz Schenk nach Cappel. Im Wahljahr 1972 feiert Marburg mit dem Hessentag  ein 750. Stadtjubiläum. Das internationale Städteturnier „Spiel ohne Grenzen“, das im Juni 1973 auf den Lahnwiesen ausgetragen wird, ist der Straßenfeger. Die Marburger Mannschaft schafft es sogar bis ins Finale nach Paris. Diese Ereignisse  ragen zum Zusammenhalt in angespannten Zeiten bei. Viele Marburger*innen erinnern sich bis heute lebhaft an das Wir-Gefühl und die gute Gemeinschaft.

SPIEL OHNE GRENZEN

Karl-Heinz Kuhn ist Trainer beim „Spiel ohne Grenzen“. Die Fernsehsendung mit Camillo Felgen ist in den sechziger und siebziger Jahren sehr beliebt. Im Frühling 1973 tritt Marburg beim Städteturnier an. Zur Vorbereitung trainiert das gemischte Team auch draußen, zum Beispiel am Hirschberg. Die Wettkämpfe selbst werden im Mai auf den Lahnwiesen ausgetragen. Marburg gewinnt vor 8.000 Zuschauer*innen und wird im September im Finale in Paris Vizemeister.

Leihgeber: Karl-Heinz Kuhn

SOMMERKONZERTE

Die Fotos zeigen einen Zusammenschluss von fünf Chören unter der Leitung von Horst Holzhausen bei den Marburger Sommerkonzerten. Letztere sind legendär. Von 1975 bis 1994 musizieren fast jeden Sommersonntag Gruppen auf der Freilichtbühne am Schloss. Bei schlechtem Wetter trifft man sich im Audimax. Initiator ist der Verkehrsdirektor a.D. Hans-Christian Sommer.

Leihgeberin: Monika Holzhausen

SPD-WAHLPLAKAT 1972

Zeitgleich mit der Vertrauensfrage auf Bundesebene werden 1972 die hessischen Kommunalwahlen vorbereitet. Das SPD-Programm rückt Lebensqualität in den Mittelpunkt. „Alles für Marburg“ lautet das Motto der Unistadt. Es präsentiert die Kandidat*innen sehr menschlich im Lebensalltag.

Leihgeber: Reinhold Drusel

PFANDBECHER UNI-SOMMERFEST

Ende der 1970er Jahre findet das erste Marburger „Uni-Sommerfest“ statt. Lange Jahre feiert ganz Marburg das rauschende Fest rund um das Hörsaalgebäude im Zentrum der Stadt. Nach seiner Sanierung in den 2010er Jahren dann an wechselnden Ort. 1994 wird Pfand eingeführt. Die Plastikbecher mit buntem Logo stehen noch heute im Schrank der Leihgeberin.

Leihgeberin: Sabine Bald

SPD-WAHLPLAKAT 1972

Die Marburger Lehrerin Pauli Spies ist von 1968 bis 1974 SPD-Stadtverordnete. Die Mutter des heutigen Oberbürgermeisters Spies setzt sich stark für die Bildungsreform ein und für deren Umsetzung in Marburg. Dafür stehen Modellschulen wie die Astrid-Lindgren-Schule, die integrierte Gesamtschule am Richtsberg und die Adolf-Reichwein-Schule.

Leihgeber: Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies